Mystische Kräfte, eine Welt vor dem Abgrund und exotische Aliens – Stormind Games präsentiert mit Batora: Lost Haven eine ungewöhnliche Rollenspielmischung aus Science-Fiction und Fantasy. Ob dieser Genrespagat gelingt oder letzten Endes doch ein potenzieller Kollaps unter den eigenen hochgesteckten Zielen droht? Wir finden es heraus.
Batora: Lost Havens Story beginnt zunächst recht unscheinbar. Mila und Avril, zwei junge Frauen, bahnen sich ihren Weg durch die heruntergekommenen Straßen einer uns unbekannten Großstadt. Zwischen Geröll und Unrat, tratschen die beiden, während sie ein Hindernis nach dem anderen erklimmen, über die Ereignisse der vergangenen Tage, als wäre die zerstörte Umgebung gängiger Alltag ihres Lebens. Mila berichtet von der tragischen Situation ihrer schwer kranken Mutter, woraufhin sich Avril von ihrer Abenteuerlust überwältigen lässt und noch tiefer in die dunklen Ruinen vordringt.
Es vergehen einige Minuten und plötzlich findet sich Avril innerhalb eines eingestürzten U-Bahn-Tunnels im Angesicht eines seltsamen, glühend schwebenden Objekts wieder. Temperamentvoll wie sie nun einmal ist, gilt ihr erster Gedanke natürlich nicht einem etwaigen Rückzug, woraufhin sie kurzerhand von der übernatürlichen Sphäre in eine andere fremde Welt teleportiert wird. Sie landet auf dem Planeten „Gryja“ und vernimmt plötzlich ihr zwei völlig unbekannte Stimmen: „Mond“ und „Sonne“. Schlagartig wird der Zustand der heruntergekommenen Stadt und konsequent das Ausmaß der Zerstörung der gesamten Erde enthüllt.
Aufgrund eines Kräfteungleichgewichts raffte eine verehrende Katastrophe die Hälfte der Menschheit dahin und die wenigen Überlebenden fristen eine trostlose Existenz in den Ruinen ihres einstigen zu Hauses. Unser grüner Planet ist unterdessen nicht der einzige Standort, welcher von solch zerstörerischen Ereignissen heimgesucht wird. Avril, jetzt ihres Zeichens eine „Hüterin der Balance“, muss, um ihre eigene Heimat zu einstiger Schönheit zurückzuführen, fortan neue unentdeckte Galaxien und weit entfernte Planeten bereisen, um die elementare Balance wiederherzustellen.
Glücklicherweise muss sie sich dieser Aufgabe nicht völlig alleine stellen, denn wie es der Zufall möchte, kann Avril weiterhin mit ihrer besten Freundin, Mila, kommunizieren. Und das ist auch gut so, denn Batoras übergreifende Geschichte, wenn auch zunächst durchaus mit ausreichend Potenzial bestückt, kann letztlich nur mehr als „funktional“ beschrieben werden.
Die erzählerische Stärke liegt eindeutig in den Dialogen und unser kecken, sympathischen Protagonistin. Die aberwitzigen Unterhaltungen mit fremden Spezies, die kontinuierlichen Sticheleien beider Freundinnen sowie die lockeren Sprüche Avrils, wenn eine Situation wieder einmal völlig aus dem Ruder läuft, bilden das narrative Herz des Spiels, was durch individuelle Dialogentscheidungen, die durchaus langfristige geschichtliche Konsequenzen bereithalten, nur noch gefestigt wird.
Es stellt sich somit zwangsläufig die Frage, ob Batora das in der Geschichte aufgeworfene Ungleichgewicht mithilfe unserer „Hüterin der Balance“ im Gameplay wieder ausgleichen kann. Die Antwort: größtenteils.
Spielerisch erinnert das actionreiche isometrische Rollenspiel in seinen Grundzügen an Hades, abzüglich aller Roguelite-Mechaniken selbstverständlich. Der Twist ist die bereits in der Story angesprochene und sich nun auch im Gameplay manifestierende Dualität von „Sonne“ und „Mond“ beziehungsweise „physischer“ und „mentaler“ Haltung.
Mit einem Knopfdruck wechselt ihr nämlich jederzeit zwischen diesen Haltungen hin und her und erhaltet im Gegenzug Zugriff auf unterschiedliche Angriffe. Die physische Haltung kann mit einem übergroßen Schwert aufwarten, welches bei korrektem Timing, zu absolut zerstörerischer Präzision eingesetzt werden kann. Die mentale Haltung wiederum ist primär für den Fernkampf gedacht und feuert in bester Twin-Stick-Shooter Manier zahlreiche Projektile auf die heranrasenden Gegnermassen.
Zu Beginn ist euer Arsenal, abgesehen von den Standardangriffen, noch recht begrenzt und wird weiterhin durch die Cooldowns der Spezialfähigkeiten limitiert. Mit steigender Spielzeit steigt zugleich aber auch eure Angriffsvielfalt. Vernichtende Überkopfangriffe, hilfreiche Schutzbarrieren oder flächendeckende Energieimpulse sind nur einige der Fähigkeiten, auf die ihr euch freuen könnt.
Die Dualitätsmechanik beider Haltungen legt jedoch nicht nur eure Angriffsmuster fest, sondern ist ebenfalls mit weiteren spielerischen Aspekten verwoben. Andersfarbige Kreise unterhalb der Gegner markieren ihre Anfälligkeit gegenüber spezifischer Elemente. Während manchen Feinden unter Zuhilfenahme des überdimensionalen Zweihandschwertes beizukommen ist, erfordern andere wiederum den gezielten Einsatz der Fernkampfprojektile. Es gibt sogar Mischformen, bei denen ein kontinuierlicher Wechsel unabdingbar wird.
Des Weiteren verfügt Avril über zwei individuelle Energieleisten, die ihr im Auge haben müsst, da sie je nach Gegner- und Angriffstyp, zur Neige gehen. Dieses dynamische Spiel mit den verschiedenen Haltungen macht definitiv einen der großen Reize Batoras aus und hebt es von anderen Genrekollegen ab.
Leider lässt sich ähnliches nicht für das Ausrüstungssystem festhalten. Die eigentliche Spielwelt ist recht linear und innerhalb der gewundenen Korridore lassen sich unter anderem Kodexeinträge sowie Truhen finden. In letzteren kann sich beispielsweise Währung befinden, die ihr für das Runensystem benötigt und das Äquivalent zur Ausrüstung darstellt. Viele der Runen erlauben zwar eine Feinjustierung eurer Spielweise, da einige zum Beispiel den Schaden der physischen Angriffshaltung erhöhen und im Gegenzug die Defensive der mentalen Haltung schwächen und somit ein Austauschen der Runen je nach Gegnertyp durchaus Sinn macht, besonders interessant ist dies aufgrund der passiven Natur vieler Runen jedoch nicht.
Sicherlich bemerkt ihr, wenn eure Wirbelklinge nun häufiger kritische Treffer zufügt oder ihr mehr Schläge aushalten könnt, bevor Avril gebrochen zu Boden geht. Ein erheblich spürbarer spielerischer Einfluss stellt sich allerdings nicht ein.
Technisch hingegen gibt es nur wenig zu bemängeln. Stilistisch erinnert Batora aufgrund des cartoonähnlichen Looks an Spiele wie Torchlight, kombiniert diese Ästhetik indessen zusätzlich mit außerirdischer Flora und Fauna, was aufgrund der farbenprächtigen Effekte ein bizarres visuelles Spektakel bietet. Vor allem die von Avril bereisten unterschiedlichen Planeten weisen nicht nur andere Biome auf, sondern konfrontieren euch mit allerhand kreativer Aliendesigns, die kontextuell in ihren Lebensraum eingebettet sind und erfreulicherweise sogar Sinn ergeben. Eine der Alienspezies verfügt beispielsweise über vier Arme und ist überzogen von kleineren Felsauswüchsen, was angesichts ihrer minenähnlichen Umgebung, die an das Innere eines riesigen Berges erinnert, vollkommen nachvollziehbar und logisch ist. Kleinere liebevolle Details dieser Art finden sich im ganzen Spiel.
Musikalisch wirkt Batora demgegenüber eher unscheinbar, da der Soundtrack nicht als sonderlich bemerkenswert hervortritt. Viele Stücke verschmelzen im Hintergrund, vor allem weil Batora oftmals die Soundeffekte ihr übriges tun lässt und etwa das heulen des Windes oder zerbrechen von Stein die akustische Kulisse einnimmt. Die englische Synchronisation ist wiederum super und verkörpert die unterschiedlichen emotionalen Gemütszustände der Charaktere auf glaubwürdige Art und Weise.
Fazit:
Batora: Lost Haven ist ein kompetentes Indie-RPG, letzten Endes allerdings auch nicht viel mehr. Die Entwickler spielen mit mehreren unkonventionellen Ideen, schaffen es aber nie, das volle Potenzial der individuellen Systeme auszureizen. Dies ist zwar enttäuschend, ultimativ habe ich meine Zeit mit den skurrilen außerirdischen Lebensformen, welche die schrägen Planeten Batoras beheimaten, jedoch durchaus genossen.
Solides Gameplay, abwechslungsreiche Umgebungen, signifikante Dialogentscheidungen und eine selbstbewusst sympathische Protagonistin schaffen es somit Batora: Lost Haven zwar nicht zu einem Pflichtkauf, aber zumindest zu einem unterhaltsamen Rollenspiel werden zu lassen, mit dem ihr nicht allzu viel falsch machen könnt.